Mehrere Verbände von Leistungserbringern im Hilfsmittelbereich haben gemeinsam einheitliche Preisaufschläge im Segment Reha und Pflege gegenüber gesetzlichen Krankenkassen gefordert und teilweise durchgesetzt. Die Verbände haben sich unter der Bezeichnung „ARGE“ organisiert und repräsentieren insbesondere Sanitätshäuser und orthopädische Werkstätten. Das Bundeskartellamt hat nach ersten Vorermittlungen ein Kartellverwaltungsverfahren gegen die ARGE-Mitglieder eingeleitet.
Über diesen Vorgang informiert das Bundeskartellamt in einer aktuellen Pressemeldung von Ende März. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Nach allem was wir derzeit wissen, könnte es sich bei der gemeinsamen Verhandlung von Preisaufschlägen im Rahmen der ARGE um kartellrechtlich verbotenes Verhalten handeln. Für Vereinbarungen zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen im Gesundheitswesen gelten zwar gewisse sozialrechtliche Sondervorschriften, die Ausnahmen vom Kartellverbot begründen können. Vieles deutet aber daraufhin, dass diese Ausnahmen hier nicht greifen. Die ARGE repräsentiert nach bisherigem Kenntnisstand den Großteil aller Leistungserbringer für Hilfsmittel im Bereich Reha und Pflege, auf die die Patientinnen und Patienten in Deutschland angewiesen sind. Neben dem Kartellverbot prüfen wir mit unserem Verfahren deshalb auch, ob ein verbotener Missbrauch von Marktmacht vorliegt.“
Die in der ARGE zusammengeschlossenen Verbände von Leistungserbringern hätten mit Rundschreiben vom 7. September 2021 gegenüber mehreren Krankenkassen auf gestiegene Fracht-, Liefer- und Rohstoffkosten infolge der Corona-Pandemie hingewiesen. Zum Ausgleich forderten sie für die bestehenden Hilfsmittelverträge in den Bereichen Reha und Pflege einheitlich bestimmte Preisaufschläge. Gleichzeitig seien gegenüber den Krankenkassen Vertragskündigungen in Aussicht gestellt und teilweise auch ausgesprochen worden. Mehrere Krankenkassen hätten daraufhin Preiserhöhungen zugestimmt, um die Versorgung ihrer Versicherten wie bisher gewährleisten zu können.
Unabhängig von der Frage, ob Preisanpassungen wegen gestiegener Lieferkosten im konkreten Einzelfall sachlich gerechtfertigt seien, könnte das koordinierte Vorgehen der Anbieterseite sowie die gemeinsame pauschale Forderung einheitlicher Preiserhöhungen für unterschiedliche Hilfsmittel und Verträge ein kartellrechtlich verbotenes Verhalten darstellen. Ob dies der Fall ist, prüfe das Amt im Rahmen des eingeleiteten Kartellverwaltungsverfahrens.
Das Bundeskartellamt habe bereits die ARGE-Mitglieder und rund 30 der größten gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland zu den Preisforderungen der ARGE befragt. Im nächsten Schritt werde es von den ARGE-Mitgliedern weitere Auskünfte anfordern.
Kollektiv-Verhandlungen bei der Hilfsmittelversorgung
Kollektiv-Verhandlungen von Sanitätshäusern und anderen Hilfsmittelanbietern durch ihre jeweiligen Verbände könnten im Verhältnis zu den Krankenkassen erforderlich sein, damit eine Hilfsmittelversorgung auf bundesweiter Ebene sichergestellt werden kann. Eine zusätzliche, übergreifende Absprache aller dieser Verbände – wie in diesem Fall durch die Schaffung der ARGE – könne jedoch zu einem faktischen Angebotsmonopol führen, das den Wettbewerb schädigt und letztlich die Erfüllung des gesetzlichen Versorgungsauftrags durch die Krankenkassen gefährde. Das wäre weder im Sinne des Kartellrechts noch im Sinne des Sozialversicherungsrechts.
Dem Bundeskartellamt lägen Hinweise vor, dass auch in Bezug auf weitere Hilfsmittelgruppen eine vergleichbare Konzentration auf Seiten der Leistungserbringer angestrebt werde. Das Amt werde diese Bestrebungen ebenfalls genau im Blick behalten.
Quelle: Bundeskartellamt
Stand: 01. April 2022
Verwendung nur unter Angabe der Quelle
Artikel nur unter Verwendung der Quelle nutzen